Alles nicht so einfach
Menschenrechtsverletzungen auf Obstplantagen dokumentiert die britische Nichtregirungsorganisation Oxfam. Was ist dran an den Vorwürfen?
Ein Kommentar von Otto Strecker und Markus Hinskes, AFC Consulting Group:
Versprühen von Pestiziden durch Flugzeuge auf Arbeiter in der Plantage, Missachtung von Gewerkschaftsrechten, zu geringe Bezahlung: Klare Verstöße gegen die Rainforest Alliance-Regeln, die die Hilfsorganisation Oxfam in einem Bericht über die Ananas- und Bananenproduktion in Lateinamerika veröffentlicht. Die besuchten Betriebe waren mit dem entsprechenden Siegel für umwelt- und sozialfreundliche Betriebe ausgezeichnet. Oxfam sieht die Verantwortung insbesondere im Lebensmittelhandel, da sein Einkaufsdruck zu groß sei.
Die Verantwortung für die Einhaltung der Kriterien liegt jedoch bei der Rainforest Alliance und den für sie tätigen Zertifizierern. Inzwischen ist eine globale Zertifizierungsindustrie entstanden, die mit eigenen und fremden Auditoren arbeitet. Diese werden in der Regel von den besuchten Betrieben bezahlt und sind an stabilen Kundenbeziehungen interessiert. Zum Teil werden auch fremde Audits anderer Organisationen anerkannt. Diese Systeme werden dadurch immer schwerer zu steuern. Den Anwendern, wie dem deutschen Handel, werden für die garantierte Einhaltung der Standards Gebühren berechnet. Anwender müssen sich darauf verlassen dürfen, sollten allenfalls stichprobenhaft nachprüfen.
Aber reichen die Standards des Siegels überhaupt aus? Viele der Kriterien basieren letztlich auf nicht mehr als der Einhaltung von Gesetzen, zum Beispiel des lokalen gesetzlichen Mindestlohns. Viele Verbraucher dürften höhere Erwartungen an ein solches Siegel haben. Hier liegt dann auch die eigentliche Verantwortung des Handels, nämlich solche Siegel auszuwählen, die auch ein hohes Anspruchsniveau haben. Die Rainforest Alliance hat Vertrauen verloren. Um es nicht ganz zu verspielen, nimmt sie nun „Nachhilfe“ bei Oxfam.
In: Lebensmittel Praxis, Ausgabe 12/2016 vom 15.07.2016, S. 16