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04.10.2012

AFC bei Dow Jones zur neuen Plattform der Lebensmittelwirtschaft

Nahrungsbranche: Neuer Verein stößt auf Kritik 

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Am vergangenen Wochenende war bekannt geworden, dass verschiedene große Unternehmen sowie Organisationen von Nahrungsmittelherstellern und -handel nun doch einen gemeinsamen Verein ins Leben gerufen haben, der laut Satzung „einen Beitrag zur Versachlichung und Klarstellung verbraucherrelevanter Themen rund um Lebensmittel und Ernährung" leisten soll. Dieser Gründung waren mehr als zweijährige Diskussionen in der Branche über ein solches Konstrukt vorausgegangen.

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Eine Einigung scheiterte immer wieder an den divergierenden Interessen der Branchenmitglieder und an strittigen Fragen der Finanzierung. Letztlich soll jedoch die Einigung über die Finanzierung des neuen Vereins weniger schwierig gewesen sein als die Festlegung auf eine gemeinsame strategische Ausrichtung. In den mitunter sogar gegenläufigen Ansinnen der Mitglieder der neuen Branchenorganisation sehen Beobachter denn auch ein nicht unerhebliches Problem, das dem Erfolg des neuen Vereins im Wege stehen könnte. So stellt etwa Branchenexperte Otto Strecker, Vorstand des auf die Ernährungswirtschaft spezialisierten Bonner Beratungsunternehmens AFC Consulting Group, im Gespräch mit Dow Jones News fest, dass eben niemals alle nebeneinander existierenden 

Lebensmittel-Verbände die gleiche Interessenlage haben und jeder von ihnen zuerst seinen eigenen Mitgliedern verpflichtet ist. „Handel und Industrie haben einen noch kleineren gemeinsamen Nenner als die Teilbranchen der Industrie untereinander", sagte Strecker. Auch innerhalb unterschiedlicher Industrieverbände gibt es nach seinen Worten nicht notwendigerweise gemeinsame Interessen. „Oftmals dominieren die eher gegenläufigen Interessen als Lieferant und Abnehmer das Verhältnis untereinander, wie etwa bei der Zuckerindustrie und der Süßwarenindustrie", erläutert der Fachmann. Darüber hinaus erscheint ihm fraglich, ob ein weiterer Verband bzw. eine weitere Plattform zu dem Erfolg führen wird, den die bisherigen Verbände nicht erzielen konnten. Es sei notwendig und auch sinnvoll, einen sachlichen Einfluss auf die Medienberichterstattung zum Thema Lebensmittelqualität und Lebensmittelsicherheit zu nehmen, meint Strecker. 

Doch ob eine zusätzliche Stimme im Konzert der Lebensmittelverbände zu mehr Harmonie führen und der Branche mehr Gehör verschaffen kann, erscheint ihm mehr als der nachvollziehbare Wunsch einer „von den großen Publikumsmedien oft zu Unrecht und maßlos attackierten Branche". 

Zudem führt Strecker an, dass die Aufgabe des existierenden Branchenspitzenverbandes Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) eigentlich genau in der sachlich fundierten Information zu Ernährungsthemen bestehe, die künftig der neue Verein abdecken soll. „Im BLL sind bereits sowohl Industrie als auch Handel, Handwerk, Labore und andere Partner aus der Food Value Chain vertreten", so Strecker weiter, „nur leider nicht vollständig". Gleiches gilt demnach für die im Industrieverband Bundesvereinigung der deutschen Ernährungsindustrie (BVE) vertretenen Teilbranchen. Dort fehlt unter anderem die Milchindustrie. Einen vollständigen Vertretungsanspruch könne die neue Plattform neben den bestehenden Organisationen allerdings noch viel weniger geltend machen, befürchtet der AFC-Experte. 

Ihm erscheint es grundsätzlich als ein gutes Zeichen, dass Handel und Industrie nun zusammen finden. Kaum verständlich findet er hingegen, warum dies nicht unter einem bestehenden Dach gelingen kann. Dies nicht zuletzt auch unter dem Aspekt, dass BVE und BLL gerade einen Medienprofi als gemeinsamen Hauptgeschäftsführer unter Vertrag genommen haben. 

Dow Jones Marktreport Fleisch & Milch, 4.10.2012, S. 1-2