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13.06.2017

Lebensmittel Praxis: "Superfoods, super Geschäfte?" - Ein AFC-Standpunkt

Super Foods, super Geschäfte?

Die Mischung aus Exotik und Heilversprechen pusht das Thema Superfood. Vor allem die Industrie kann mit ihrem Einsatz Mehrwert generieren, meint Otto Strecker, AFC

Mitte der achtziger Jahre arbeitete ich während der Semesterferien mehrfach in einem von Deutschland finanzierten Projekt zur Rekultivierung von Quinoa und Amaranth in den peruanischen Anden. Im Mittelpunkt stand die Idee, die Andenbewohner wieder an ihre eigenen traditionellen Kulturpflanzen heranzuführen. Den Spaniern waren diese Lebens- und Heilmittel suspekt. Sie verboten den Anbau. Nach dem Ende der Kolonialzeit waren diese Pflanzen dort in Vergessenheit geraten. Dass sie einmal eine solche Renaissance als Exportartikel erleben würden, hätte damals wohl kaum jemand gedacht.

Wie Elke Häberle in ihrem Beitrag bemerkt, ist es die Mischung aus Exotik und Heilsversprechen, die den Erfolg der Super Foods ausmacht. Die archaische Mystik der Inkas, Azteken oder afrikanischer Schamanen mischt sich mit gesundheitsbezogenen Aspekten und solchen der Nachhaltigkeit, die sich aus der Exotik der Ursprungsländer ergeben können: fairer Handel, Bio und anderes mehr. Gemeinsam zahlt alles ein auf einen sehr hohen LOHAS-Faktor, den Lifestyle of Health and Sustainability, der durch Super Foods in perfekter Weise adressiert wird.

Kein Wunder, dass uns immer häufiger entsprechend exotisch anmutende Produkte begegnen: ob Noni-Saft, Arganöl oder getrocknetes Baobab-Fruchtfleisch. Allerdings fallen auch viele dieser Lebensmittel unter eine besondere Rechtssetzung der EU, nämlich die Novel-Foods-Verordnung. Unter Novel Foods versteht diese Verordnung solche Lebensmittel, von denen bestimmte Begleitumstände unbekannt sind, da sie traditionell bei uns nicht verwendet wurden. Das betrifft etwa Lebensmittel mit bisher unbekannten Strukturen, wie neuartige Fettersatzstoffe, es betrifft Lebensmittel aus Bakterien, Pilzen oder Algen, die bisher in der EU nicht verwendet wurden (z.B. Öl aus bestimmten Algen) oder eben Lebensmittel, die als solche in Europa bisher unbekannt waren, wie Nonis oder Chia-Samen.

Lebensmittel-Unternehmen müssen für Novel Foods eine Genehmigung beantragen. Mit ihr gehen unter Umständen auch Empfehlungen zu den Verzehrmengen einher, die auf den Verpackungen verpflichtend anzugeben sind. Bei Chia-Samen sind dies z.B. 15 Gramm. Das begrenzt den Markt bis auf weiteres in der möglichen Absatzmenge auf einige tausend Tonnen pro Jahr.  Dieses Verfahren sorgt trotz der jüngst erfolgten Erleichterungen in der EU-Verordnung dafür, dass es bisher nur eine überschaubare Menge an entsprechenden Produkten gibt, obwohl das Reservoir an in Frage kommenden Super Foods schier unerschöpflich scheint. 

Einzelne Händler wundern sich darüber, dass manche dieser Super Foods zwar einerseits gehypt werden, andererseits aber als Mono-Produkte nur relativ schwach abverkauft werden (siehe REWE-Händler Uli Budnik im Beitrag Top oder Flop). Vergleichen wir kurz Chia und Leinsaat, zwei recht ähnliche Produkte. Leinsaat ist ein gelerntes Produkt und wird im Umfang von rund 750.000 Tonnen jährlich in die EU eingeführt. Bei Chia sind es ganze 12.000 Tonnen. Bei beiden Produkten liegt die Hauptverwendung keineswegs als Monoprodukt im privaten Haushalt. Deshalb werden auch im gesamten Lebensmitteleinzelhandel Chia-Samen im Wert von gerade einmal 23 Millionen Euro verkauft. Die Hauptanwendungsfelder liegen in der weiterverarbeitenden Industrie, ob als Backwaren, Cerealien, Snacks, Riegel, Salate oder andere Produkte.

Hier lassen sich die Super Foods marketingmäßig in Szene setzen und den Mehrwert generieren, den sich alle Beteiligten davon versprechen.

 

In: Lebensmittel Praxis, Ausgabe 10/2017 vom 13.06.2017, S. 12