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01.06.2012

Die Lebensmittel Zeitung im Gespräch mit dem Cluster Ernährung.NRW

Für den Länderreport Nordrhein-Westfalen führte die Lebensmittel Zeitung ein Expertengespräch mit Dr. Otto Strecker, dem Leiter des Clustermanagements Ernährung.NRW und Vorstand der AFC Consulting Group.

Wo liegen die derzeitigen Herausforderungen für die Ernährungsindustrie in NRW?

Dr. Otto Strecker: Belastende Ereignisse wie die Dioxin- und EHEC-Krisen wirken nicht nur hierzulande in der Branche noch nach. Auch öffentliche Diskussionen wie über Antibiotika in der Geflügelhaltung führen dazu, dass die Ernährungsindustrie in NRW ihre Glaubwürdigkeit und ihr Renommee nicht nur von Seiten der zahlreichen Nichtregierung-Organisationen zunehmend in Frage gestellt sieht. Auf diese Herausforderung müssen alle an der Wertschöpfungskette Beteiligten – auch gemeinsam - die passenden Antworten finden. Einen Ansatz dafür sehe ich insbesondere in der Regionalvermarktung. Denn regionale Ketten lassen sich besser überwachen als globale Liefernetzwerke.

Wo sehen Sie Wachstumsperspektiven?

Dr. Otto Strecker: Chancen für weiteres Wachstums bieten immer weiter ausdifferenzierte Premium-Angebote. Dazu zählen Bio- oder regional erzeugte Produkte, Fleisch und Fleischwaren aus besonderen Tierhaltungsformen, Nahrungsmittel, die frei von Gentechnik oder bestimmten Zusatzstoffen sind etc. Erhebliche Wachstumspotenziale liegen zudem im Export. So führt Deutschland schon heute mehr Lebensmittel nach Frankreich aus als wir von dort importieren. Diese zunehmend starke Exportleistung ist nicht zuletzt auch dem Kostendruck von Seiten der Discounter geschuldet. Denn wer unter dem Qualitäts- und Kostendruck der Discounter in Deutschland bestehen kann, der ist ebenfalls in der Lage, seine Qualitäten in anderen Ländern unter Beweis zu stellen. Das bedeutet, er kann seine Produkte in der Welt zu attraktiven Preisen und gleichzeitig auskömmlichen Margen vermarkten. Insofern erweisen sich die Discounter als ein Motor des deutschen Lebensmittelexports. Doch die Lebensmittelhersteller werden nicht nur von Discountern in neue Märkte mitgenommen. Der Effekt des Wettbewerbsdrucks geht weit darüber hinaus.

Wie sieht es mit der Investitionsbereitschaft der Branche aus?

Dr. Otto Strecker: Nach der aktuellen AFC-Investitionsstudie planen rund 40 Prozent der befragten Unternehmen der Ernährungsindustrie Erweiterungs- oder auch Übernahmeinvestitionen. Dieser Wert ist geringfügig kleiner als im Vorjahr, bewegt sich aber im langfristigen Vergleich auf hohem Niveau. Im Bereich der Übernahmen rechnen wir mit weiter zunehmenden Aktivitäten von Seiten der Finanzinvestoren. Denn die Lebensmittelbranche gilt zwar vielfach als wenig glamourös, dafür aber als stabil. Das hat das Interesse von Fonds und Beteiligungsgesellschaften geweckt und weiter intensiviert. Somit fließt frisches Geld in den Sektor. Das wiederum tut der Investitionsneigung gut.

Das Interview erschien am 1. Juni 2012 in der Lebensmittel Zeitung auf Seite 50 in redaktionell leicht bearbeiteter Fassung.